Deutschlandfunk - 27. März 2004 - 23:12
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25.3.2004
Mit Druck gegen die hohe Abbrecherquote
TU Berlin setzt auf Zwangsprüfungen für Langzeitstudierende
Von Jens Rosbach
Eine der 10-Kampfdisziplinen: Der Hürdenlauf (Foto: AP)
Eine der 10-Kampfdisziplinen: Der Hürdenlauf (Foto: AP)
Langzeitstudenten gehen natürlich in die Statistiken ein. So, und je mehr Studenten man hat, die sehr sehr lange im System sind, desto schlechter sind die Absolventenquoten. Und das sind alles Parameter, die für das Leistungsprofil entscheidend sind. Auswirkungen sind natürlich die, dass sich das auswirkt auf Mittelverteilung, also auf Geld, und natürlich auf die Außenwahrnehmung der Universität.

Grund für immer mehr Zwangsmaßnahmen der Hochschulen, die möglichst frühzeitig Faulenzer und potentielle Studienabbrecher aussortieren wollen. An der Technischen Universität hat gerade wieder eine Fakultät eine neue Prüfungs- und Studienordnung beschlossen, die Studienbummlern das Leben erschweren soll.....

Das Problem, was wir hier ansprechen, ist das Problem der Studienabbrecher. Die laufen manchmal sechs, acht Semester hier rum mit mäßigem Studienerfolg und sind in gewisser Weise, wie sich oft herausstellt, sogar dankbar, wenn sie von außen ein bisschen Hilfe auch in Form von Druck bekommen, sich endlich zu entscheiden, ob sie weiter studieren wollen, oder ob sie lieber an die Fachhochschule wechseln oder das Studienfach wechseln.

Professor Hans-Ulrich Heiß hat sich etwas ganz Besonderes ausgedacht, um seine Informatik- und Elektrotechnik-Studenten an der TU Berlin auf Trab zu bringen: Wer nicht innerhalb eines Jahres ein bestimmtes Leistungs-Pensum absolviert, muss zur Zwangsberatung. Die gab es auch schon zuvor, allerdings waren die Professorengespräche erst nach drei Jahren Pflicht und für den Studenten häufig folgenlos.

Wir wollen eben dieses Beratungsgespräch früher stattfinden lassen, bereits nach einem Jahr und außerdem mit dieser Verbindlichkeit ausstatten, dass man sich auf gewisse Prüfungen einigt, die jetzt als nächstes abzulegen sind und dann aber auch tatsächlich zu diesen Prüfungen eine Anmeldung stattfindet. Er hat dann auch ein Jahr Zeit, diese Prüfungen abzulegen und falls er sie nicht besteht, ein weiteres Jahr, um die Wiederholung durchzuführen.

Noch härter sind die Bandagen an der Freien Universität Berlin. Dort wird momentan flächendeckend das "Malus-Punkte-System" eingeführt. Holger Heubner vom Präsidialamt der FU erklärt, wie seine Studienbummler zu Malus- also Minuspunkten kommen.

Die Maluspunkte-Regel funktioniert so, dass man sagt, wer in zwei aufeinanderfolgenden Semestern weniger als 30 Leistungspunkte erwirbt, mit zwei Maluspunkten -in Anführungsstrichen- bestraft wird. Fangen Sie an im ersten Semester mit zehn Leistungspunkten und machen im zweiten beispielsweise nur fünf, dann kriegen Sie, weil Sie nicht auf die 30 Punkte kommen, zwei Maluspunkte verbucht.

Der Vorteil: Eine individuelle, flexible Studienplanung. Wer allerdings ganz individuell nur in der Uni-Cafeteria herum hängt, anstatt zu lernen, kann bereits nach drei, vier Semestern geext werden. Denn auch Prüfungen, die mehrmals nicht bestanden werden, gehen auf das Minuskonto. Und bei insgesamt fünf bis acht Maluspunkten ist Schluss.

Das heißt, sie können relativ schnell, wenn Sie drauf verzichten, in der Weise, wie es vorgesehen ist, Punkte zu erbringen, aus dem System herausfallen.

Jede Uni hat ihr eigenes Antibummelanten-Projekt, mitunter jede Fakultät. In Hessen und Nordrhein-Westfalen sollen Langzeitstudierende künftig sogar Geld auf den Tisch legen, wenn sie zu viele Hochschuljahre auf dem Buckel haben. 500 Euro pro Semester sind es an der Uni Kassel, 650 in Düsseldorf, Köln und Bochum. Aber nicht jeder kann im Turbo-Tempo seine Prüfungen machen - klagen Studentenvertreter wie Felix Schwarz von der TU Berlin.

Es trifft halt auch viele, die nebenbei arbeiten müssen, tendenziell müssen Leute arbeiten, die nicht so viel Geld haben, also das trifft denn tendenziell wieder sozial Schwächere. Weiteres Problem sind natürlich ausländische Studierende, die wir zum Teil mit einem Anteil von 30 Prozent haben, was ja auch schön ist. Aber das Problem ist halt bei denen häufig, dass sie nicht ausreichende Deutschkenntnisse haben. Und die trifft`s halt besonders.

Die Uni-Leitungen wiegeln allerdings ab und verweisen auf verschiedene Ausnahmeregeln für soziale Härtefälle. Die Fachschaften lassen sich davon nicht beeindrucken. Denn in ihren Augen sind generell die Rahmenbedingungen Schuld an den zu langen Studienzeiten und nicht das Fußvolk. Mehr Dozenten fordern sie sowie bessere Vorlesungen - anstelle von Zwangsprüfungen, Minuspunkten und Gebühren.

Wir haben zum Teil in den ersten Semestern Professoren, die seit 13 Jahren das Gleiche machen, absolut lustlos sind und dann müsste vielleicht mal die pädagogische Ausbildung der Professoren mal geschult werden. In der Regel hat kein Professor jemals etwas von Pädagogik gehört, er muss aber 600 Leuten etwas in der Vorlesung erzählen und das sind halt Sachen, die wir zuerst abstellen würden, bevor wir dann an solche formalen Regelungen heran gehen.



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