Druckversion

Wer bummelt, muss zur Prüfung

Umstrittenes Konzept für kürzere Studienzeiten und weniger Abbrecher: TU will den Lernerfolg ihrer Studenten kontrollieren

Von Christa Beckmann

Die Technische Universität drückt bei ihren Studenten aufs Lerntempo. In Elektrotechnik, Informatik und Technischer Informatik müssen bummelige Studenten bald damit rechnen, zwangsweise zu Prüfungen angemeldet zu werden. Der zuständige Fakultätsrat hat in der vergangenen Woche - trotz heftiger Proteste von Studentenseite - eine entsprechende neue Studien- und Prüfungsordnung beschlossen. Nach Angaben der Uni-Leitung denken auch andere Fakultäten angesichts langer Studienzeiten und hoher Abbrecherquoten über verstärkte Leistungskontrollen bei ihren Studenten nach.

"Wir wollen möglichst frühzeitig erkennen, ob und wo jemand Probleme im Studium hat", sagt Informatik-Professor Hans-Ulrich Heiß. Bisher würden Studenten erst zu einem Beratungsgespräch geladen, wenn sie nach sechs Semestern noch kein Vordiplom abgelegt hätten. "Aber dieses Gespräch ist unverbindlich und es kommt zu spät", kritisiert Heiß. Entsprechend hoch ist die Abbrecherquote. Nur etwa jeder zweite Studienanfänger in Elektrotechnik und Informatik kommt nach TU-Statistik auch ins Ziel. Die durchschnittliche Studiendauer in Informatik beträgt 14 Semester, in Elektrotechnik 15.

Das soll sich jetzt ändern. Die neue Studienordnung sieht eine Lernkontrolle vor. Dazu werden alle Studienleistungen wie Prüfungen, Scheine und Arbeiten in Punkten gemessen. Regulär liegt die Messlatte bei 60 Leistungspunkten pro Studienjahr, minimal bei 40. Wer weniger als 40 Leistungspunkte hat, muss bei seinem Mentor aus der Dozentenriege vorsprechen. Nach Beratung mit dem Mentor wird der Student dann zu den Prüfungen angemeldet, die ihm fehlen, um die Mindestpunktzahl zu erreichen. Sollte er die Prüfungen innerhalb eines Jahres nicht erfolgreich ablegen, hat er eine Wiederholungschance, dann zeigt der Daumen endgültig nach unten: Der Student wird zwangsexmatrikuliert.

Studenten, die ernsthaft studierten, müssten die neue Kontrolle nicht fürchten, ist Informatikprofessor Heiß überzeugt: "Wenn man alle zulässigen Fristen ausschöpft, kann es auch nach der neuen Regelung noch zehn Semester dauern, bis ein Student das Vordiplom bestanden oder auch nicht bestanden hat." In sozialen Härtefällen könne zudem die Mindestpunktzahl reduziert werden. Darüber hinaus seien ein Urlaubssemester und ein 50-prozentiges Teilzeitstudium möglich. Einziger Haken: Derzeit ist ein Teilzeitstudium nur in Fächern ohne Numerus Clausus zulässig.

Die Studenten fürchten denn auch künftig mehr und nicht weniger Abbrecher. "Viele überschreiten die Regelstudienzeit, weil sie nebenbei arbeiten müssen, um ihr Studium zu finanzieren", sagt Informatikstudent Felix Schwarz. "Diejenigen werden durch das neue System rausgekickt." Lange Studienzeiten seien aber auch Folge schlechter Lehre und fehlender Laborplätze. "Vielen Professoren ist die Forschung wichtiger als die Lehre." Schwarz, der auch im Fakultätsrat sitzt, ärgert besonders, dass die Dozentenmehrheit die neue Regelung "kompromisslos durchgedrückt hat", obwohl ein im vergangenen Jahr gestarteter Modellversuch im TU-Studiengang Bachelor Elektrotechnik gezeigt habe, dass die Rechnung der Hochschule nicht aufgehe. Von 20 Probanden hätten 13 die geforderte Mindestleistung im ersten Jahr nicht erreicht.

"Der Versuch in der E-Technik hatte nicht die von uns erhoffte Erfolgsquote", räumt Professor Jörg Steinbach, TU-Vizepräsident für Lehre und Studium, ein. Steinbach gibt auch zu, dass die Sparzwänge und der damit verbundene Personalabbau der neuen Regelung eher entgegenstünden. Dennoch führe kein Weg um Leistungskontrollen herum. Schließlich, gibt Steinbach zu bedenken, werde auch die Geldzuteilung für die Universitäten an Leistungskriterien wie Regelstudienzeiten und geringe Abbrecherquoten geknüpft.

Berliner Morgenpost, vom: 23.03.2004
URL: http://morgenpost.berlin1.de/archiv2004/040323/berlin/story667696.html