1 Einleitung

An den HAWs haben die Prüfungszeiträume bereits begonnen, an den Universitäten stehen diese kurz bevor. Zeitgleich spitzt sich das Pandemiegeschehen immer weiter zu. Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wird der Höhepunkt der aktuell laufenden 5. Welle Mitte bis Ende Februar erwartet.

Um besser Einschnitzen zu können, wie die Studierenden in der aktuellen Pandemielage zur Präsenz respektive Onlineprüfungen stehen, haben wir, die Studierenden der Kommission für Lehre und Studium sowie des Kuratoriums, eine als Meinungsbild gedachte Umfrage an der TU Berlin gestartet.

Innerhalb von \(8\) Tagen (Laufzeit: 26.–03.02.2022) sind dabei \(5318\) Rückmeldungen auf unsere Umfrage eingegangen. Auf die Gesamtzahl der Studierenden an der TU Berlin gerechnet (\(33 631\), Stand WiSe 2020/21) bedeutet dies eine Teilnahmequote von \(15.81 \%\), welche damit höher liegt als bei anderen Uni-weiten Umfragen unter Studierenden an der TU Berlin.

Es ist zu berücksichtigen, dass potenzielle Teilnehmer:innen in der Umfrage aufgefordert wurden, diese nur im Falle einer tatsächlich geplanten Teilnahme an (mindestens) einer schriftlichen Prüfung oder Teilleistung im aktuellen Wintersemester 2021/22 zu beantworten. Um uns diesem effektiven Rücklauf anzunähern, können wir als Grundlage den Mittelwert des Anteils der Studierenden an der TU Berlin nehmen, die im SoSe 2020 (\(54.98\%\)) und WiSe 2020/21 (\(53.50\%\)) auch tatsächlich an einer Prüfung (ungeachtet der Prüfungsform) teilgenommen haben, also \(54.24\%\). Demnach liegt der effektive Rücklauf dieser Umfrage bei mindestens \(29.15\%\).

Es lässt sich also gut sehen, dass das Thema die Studierenden aktuell beschäftigt. Da gleichzeitig der Start der Prüfungsphase naht, liegt es nun in der Pflicht der Präsidien und der Landespolitik, verbindliche und verlässliche Entscheidungen zu treffen, die den Studierenden eine sichere wie faire, aber vor allem eine Prüfungsphase frei von zusätzlichen Belastungen ermöglicht.

Die Auswertung in diesem Dokument erfolgt dabei in drei Schritten: Zuerst präsentieren wir die beiden grundlegenden Fragestellungen und setzen sie miteinander ins Verhältnis. Anschließend ergründen wir, worin die Gründe der Studierenden für die Antworten liegen. Zuletzt werten wir aus, ob noch weitere Gründe bestehen, die für oder gegen Präsenz- und Onlineprüfungen sprechen. Ein abschließendes Fazit rundet die Auswertung dieses Meinungsbilds ab.

2 Grundlegende Fragestellungen

Die ersten beiden Fragen beziehen sich darauf, ob Studierende aktuell überlegen, angesetzte schriftliche Präsenzprüfungen abzusagen und welche Prüfungsform sie präferieren würden, wenn sie frei wählen könnten.

2.1 Überlegst Du, an zur Zeit angesetzten Präsenzprüfungen auf Grund der pandemischen Lage nicht teilzunehmen?

\(60\%\) der Umfrage-Teilnehmer:innen überlegen aktuell, an Präsenzprüfungen in diesem Semester nicht teilzunehmen und diese stattdessen in kommenden Semestern abzulegen. Dies bedeutet sowohl für die Studierenden eine Verlängerung des Studiums als auch für die Hochschulen eine zusätzliche Belastung in den kommenden Semestern, in denen diese Prüfungen dann wiederholt werden müssen. Hypothetisch angenommen: Sollten auch nur die Hälfte derjenigen, die sich aktuell Gedanken über eine mögliche Absage machen, schlussendlich doch für eine Präsenzprüfung entscheiden, würde dies bedeuten, dass in den kommenden Semestern ca. \(30\%\) mehr Prüfungen abgelegt werden müssten.

2.2 Wenn Du es Dir aussuchen könntest, wie würdest Du Deine schriftlichen Prüfungen bzw. Teilleistungen im WiSe 2021/22 gerne absolvieren?

Noch deutlicher wird der Wunsch der Studierenden nach Onlineprüfungen bei der Frage nach dem aktuell bevorzugten Format. Rund \(85\%\) würden gerade lieber, knapp \(50\%\) sogar ausschließlich an Onlineprüfungen teilnehmen.

2.3 Überlegte Nicht-Teilnahme an Präsenzprüfungen in Abhängigkeit von der präferierten Prüfungsform

Kombinieren wir diese beiden Fragen nun, zeigt sich, dass einige Studierende intuitiv widersprüchliches Verhalten zeigen. So geben z.B. gut \(7\%\) an, an der Teilnahme an Präsenzprüfungen unbedingt festhalten zu wollen, obwohl sie ausschließlich an Online-Prüfungen teilnehmen möchten. Möglich wäre hier, dass diese auf Grund unbekannter äußerer Faktoren gegen ihren Willen handeln müssen.

3 Welche Gründe sind maßgeblich für deine Entscheidung?

Wir möchten nun die Gründe für die Antworten der Teilnehmenden ermitteln. Dazu folgt zuerst eine allgemeine Auswertung der Gründe. Im weiteren Verlauf wird diese ins Verhältnis zur Frage, welche Prüfungsform die Studierenden präferieren würden, gesetzt. Abgeschlossen wird die Evaluation mit einer Auswertung der Freitextkommentare, nach präferierter Prüfungsform separiert.

Im folgenden werden dabei aus Platzgründen die folgenden internen Codierungen für die verschiedenen Antwortmöglichkeiten genutzt:

Interne Codierung Antwortmöglichkeit
selbstschutz Selbstschutz (Sorge vor Infektion während der Präsenzprüfung, auf dem Weg zur TU)
fremdschutz Schutz von Angehörigen (Risikogruppen im Haushalt)
quarantaene Befürchtung durch Quarantäne-Anordnung nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen zu
faire_pruefung Fairere Prüfungsbedingungen
kein_geeigneter_ort Kein geeigneter Ort, um an Online-Prüfungen teilzunehmen
betreuungsaufgaben Betreuungsaufgaben (z.B. Kinder, Pflege von Angehörigen …)
weiter_weg Ich wohne zur Zeit nicht in Berlin oder Brandenburg
weiteres Weiteres (bitte angeben)

3.1 Ohne Abhängigkeiten zu anderen Fragen

\(70\%\) der Studierenden geben den Schutz der eigenen Gesundheit als Grund an, \(60\%\) den Schutz fremder Personen. \(57\%\) der Teilnehmer:innen geben die Sorge an aufgrund von einer Quarantänesituation nicht an der Prüfung teilnehmen zu können. \(28\%\) der Teilnehmer*innen haben die Sorge, das Prüfungen nicht fair ablaufen könnten und \(8\%\) geben an keine geeigneten Räumlichkeiten für eine Prüfung zu haben. \(9\%\) der Studierenden wohnen zum Zeitpunkt der Prüfung nicht in Berlin und geben den Weg als ein Entscheidungskriterium an, \(4\%\) Betreuungsaufgaben. Die Möglichkeit, weitere eigene Gründe anzugeben, nutzten \(9\%\).

3.2 Kennlinie: Präferierte Prüfungsform in Anhängigkeit der Gründe

Bei der Verteilung der Gründe gibt es wenig Überraschungen. Die Gründe „Selbstschutz“ und „Fremdschutz“, „Angst vor einer Quarantäne“ sowie „Wohnort nicht in Berlin oder Brandenburg“ hatten eine hohe Korrelation mit dem Wunsch nach einer Onlineprüfung. Die Gründe „kein geeignetes Arbeitsumfeld“ sowie „Fairness von Prüfungen“ hatte eine hohe Korrelation mit dem Wunsch nach Präsenzprüfungen, wobei sich der Wunsch nach fairen Prüfungen auch durchaus bei denjenigen, die Onlineprüfungen bevorzugen, wiederfindet. Wir vermuten dass gerade diese Frage viel mit den Erfahrungen zu tun haben, welche die Studierenden in den letzten Semestern individuell gemacht haben. Zuletzt hat die Wahrnehmung von Betreuungsaufgaben hat eine eher geringe Auswirkung auf die Präferenz der Prüfungsart.

3.3 Tabellen zur Detailauswertung der Gründe

3.3.1 Präferenz “Nur Präsenz”

3.3.2 Präferenz “Lieber Präsenz”

3.3.3 Präferenz “Lieber Online”

3.3.4 Präferenz “Nur Online”

3.4 Anteil der Abgabe von Freitextommentaren in Abhängigkeit von der Wunsch-Prüfungsform

Es fällt dabei auf, dass Studierende die Möglichkeit, Freitextkommentare abzugeben, eher nutzten, wenn sie einer Präsenzprüfung positiv gegenüber standen. Dies lässt darauf schließen, dass die durch uns angebotenen Gründe gerade diese Seite der Studierenden nicht ausreichend abdeckten.

Wir möchten nun also durch Auswertung der Freitextkommentare herausfinden, welche nicht auswählbaren Gründe aus Sicht der Teilnehmenden für eine Präsenzprüfung sprechen.

3.4.1 Präsenzprüfungen werden präferiert

Es kristallisieren sich dabei zwei vorwiegende Gründe heraus: Zum Ersten besteht die Sorge, dass Kommiliton:innen bei Onlineprüfungen verhältnismäßig oft betrügen würden, welches einige Male auch durch Erfahrungsberichte untermauert wird. Dies korreliert mit der Angabe zu „Faire Prüfungsbedingungen“ in den Abschnitten 3.3.1 und 3.3.2.

Zum Zweiten besteht die Erfahrung, dass Onlineprüfungen als deutlich schwerer eingeschätzt werden als Präsenzprüfungen. Explizit werden dabei anekdotisch das Fragendesign, weniger Platz für Fehler durch automatisierte Auswertung der Abgaben und allgemein der höhere Zeitdruck genannt. Auch wird erwähnt, dass diese Schwierigkeitssteigerung als Maßnahme gegen Täuschungsversuche angewendet werden würde.

Weiterhin unterstreichen die Freitextkommentare, dass Studierende unbedingt einen geeigneten Ort zur Teilnahme an Online-Prüfungen benötigen. Vielfach wird erwähnt, dass die Internetverbindung nicht ausreichend stabil sei, sodass sich dies negativ auf die Prüfung auswirkt. In diesem Zusammenhang wird auch selten der Wunsch geäußert, endlich einmal persönlichen Kontakt zu Mitstudierenden vor oder nach der Prüfung aufnehmen zu können. Auch

Zuletzt werden auch Bedenken bezüglich des Datenschutz bei der Durchführung von Online-Prüfungen vereinzelt geäußert. Wenige Studierende äußerten sich dahingehend, dass die aktuell geltenden Maßnahmen zur sicheren Durchführung von Präsenzprüfungen reichen würden. Vereinzelt forderten Studierende in den Kommentaren, dass alle Maßnahmen aus verschiedensten Gründen aufzuheben seien.

3.4.2 Abwägung zwischen Online- und Präsenzprüfungen

Einige Teilnehmer:innen nahmen auch eine Abwägung in ihrer Entscheidungsfindung vor. So gaben sie an, dass sie vor allem große (\(>30-40\) Teilnehmende) deutlich kritischer sehen als kleinere Prüfungen.

3.4.3 Online-Prüfungen werden präferiert

Unter denjenigen, die eine Online-Prüfung bevorzugen würden, wurde u.a. auf eigene Vorerkrankungen verwiesen, welche den Betroffenen eine Teilnahme an Präsenzprüfungen unmöglich oder zumindest sehr Risikoreich machen würde. Auch erwähnten einige Studierende, sich zur Zeit im Ausland aufzuhalten oder bei ihren Eltern in anderen Orten außerhalb von Berlin und Brandenburg zu wohnen. Dazu kommt gerade bei längeren Fahrtwegen die Sorge, dass eine pünktliche Anreise zur Präsenzprüfung auf Grund von erhöhtem Krankenstand im ÖPNV und der damit verbundenen Ausdünnung von Fahrplänen erschwert oder durch einen Ausfall von Verbindungen am Tag der Prüfung sogar unmöglich wird.

Aber auch eine Quarantäne bzw. Selbstisolation auf Grund von Ansteckungen vor den oder während der Prüfungen wird befürchtet. Ebenso werden Übertragungen auf das familiäre Umfeld befürchtet, wie auch Auswirkungen auf den Job. In diesem Zusammenhang wird auch häufig die Sorge geäußert, dass Studierende, welche aktuell mit SARS-CoV-2 infiziert sind, bei milden Symptomen dennoch zur Prüfung erscheinen könnten.

Dies wird aber auch auf das eigene Dilemma bei Verdacht oder Gewissheit einer eigenen Infektion projiziert. So müssten Studierende bei einer Präsenzprüfung abwägen, ob die Gefahr einer Infektion anderer die Gefahr, den eigenen Studienfortschritt zu gefährden, wenn eine Prüfung erst wieder in einem Jahr wiederholt werden können sollte, schwerer wiegt. Auch der solidarische Wunsch, nicht mit einer eigenen Erkrankung zum Pandemiegeschehen beizutragen und damit die Gesundheitsversorgung zu belasten, wird häufiger erwähnt.

Zuletzt werden auch technische Schwierigkeiten erwähnt. Brillenträger:innen berichten von beschlagenen Brillen durch das Tragen der Maske, wodurch sie bei einer Präsenzprüfung beeinträchtigt werden würden. Auch wird erwähnt, dass Onlinelehre zu einem anderen Wissens- und Technikstand als Präsenzlehre führt, wobei Präsenzprüfungen jedoch an der Präsenzlehre orientiert sind. Schlussendlich sorgt auch scheinbar simple Wechsel zwischen Präsenz- und Onlineprüfungen am selben Tag für Probleme. So fürchten sich Studierende vor der logistischen Fragestellung, rechtzeitig wieder zuhause zu sein, um an der Onlineprüfung teilnehmen zu können.

3.5 Einordnung der Gründe

Wir möchten zuletzt die von den Studierenden vorgebrachten Gründe kurz aus unserer Sicht einordnen.

3.5.1 Schwierigkeit und Fairness der Prüfung

Probleme bezüglich der Schwierigkleit und Fairness von Prüfungen ließen sich bei einer den Umständen angemessenen Gestaltung der Onlineklausur recht leicht beheben. So existieren bspw. Openbook-Formate, die von den Studierenden individuelle Antworten verlangen, entweder durch ein Offenes Fragendesign oder durch eine möglichst zufällige Zusammenstellung der Prüfungsfragen. All dies setzt natürlich eine angemessene Zeitgestaltung voraus, die im Vorfeld durch die Lehrenden experimentell (z.B. durch den Einsatz von Tutor:innen) validiert werden sollte.

Es kristallisiert sich zudem heraus, dass gerade ein schlechtes Fragendesign in Verbindung mit hoher Zeitknappheit eher die Studierenden ohne Täuschungsabsicht einzuschränken scheint. Anekdotisch sei dabei erwähnt, dass sich Studierende, die ernsthaft eine Täuschungsabsicht haben, auch durch sehr aufwändige Gegenmaßnahmen nicht wirksam abschrecken lassen.

Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass ein vom üblichen Modus abweichendes Prüfungsdesign bei den Prüfenden für Mehraufwand sorgt. Damit jene bei diesen Aufgaben nicht allein gelassen werden, sollten die Hochschulen bereits existierende Beratungsangebote und Erstellungshilfen zum Thema „Online-Prüfungen“ unbedingt aktiv bewerben.

3.5.2 Unzureichende Prüfungsbedingungen

Da nicht wenige Studierende unzureichende Prüfungsbedingungen angeben, sehen wir hier vor allem die Hochschulen in der Pflicht. Sofern flächendeckend auf Online-Prüfungen gesetzt werden sollte, sollten diese niederschwellig ausreichend Möglichkeiten bereit halten, sodass Studierende an ihren privaten oder an hochschuleigenen Laptops und Computern an den Prüfungen teilnehmen können. Falls entsprechende Angebote bereits existieren, sollten diese nochmals stärker beworben werden. Sollten dabei Anmeldungen für die Teilnahme auf dem Uni-Campus nötig sein, sind die Fristen für diese möglichst kurz zu halten.

3.5.3 Gesundheitliche Probleme und weite Anreisen

Sollten sich die Hochschulen schlussendlich für großflächige Präsenzklausuren entscheiden, ist es von größter Wichtigkeit, dass Studierenden bspw. mit gesundheitlichen Problemen oder weiten Anfahrten schnell und unkompliziert Nachteilsausgleiche ermöglicht werden. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass gerade eine eher unfreiwillige Teilnahme an Präsenzprüfungen für ein erhöhtes Stresslevel während der Prüfung führen kann, wodurch die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird.

4 Fazit

Die berichteten Probleme sind in beiden Prüfungsformaten vielfältig. Dennoch wünscht sich ein Großteil der Studierenden, die Prüfungen im aktuellen Semester vorrangig oder ausschließlich online durchzuführen. Es ist dementsprechend wichtig, dass die Lehrenden die bestehenden Sorgen ernst nehmen und die Prüfungen entsprechend anpassen. Gleichzeitig stehen die Hochschulen und die Berliner Politik in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen alle Studierenden möglichst frei von vermeidbaren zusätzlichen Belastungen an ihren Prüfungen teilnehmen können.


5 Änderungsnotizen

5.1 2022-02-03

Dies ist ein Update der Erstauswertung vom 1. Februar 2022. Die Befragung wurde mittlerweile beendet. Im Vergleich zum Stand von vor 3 Tagen konnten nun weitere 200 Rückläufe berücksichtigt werden.

5.2 2022-02-07

Der Rücklauf wird nun auch mit dem Anteil der Studierenden, die im MIttel in den Semestern SoSe 2020 und WiSe 2020/21 an einer Prüfung teilnahmen, in Kontext gesetzt.